Hintergrund
Erbaut
1844-1857 nahe Nietleben bei Halle, fällt die "Provinzial-Irrenanstalt"
oder Landesheilanstalt architekturgeschichtlich in die Zeit des
"Löwengebäudes" der Universität. Entworfen von Gustav Spott,
atmet das Bauwerk freilich einen anderen, schmucklos-kargen Geist des
Klassizismus.
In der vierseitigen, von Kolonnaden verbundenen Anlage gibt es Anklänge an
die Renaissance-Bauten Palladios. Das funktionale Konzept stammt von
Heinrich Damerow, einem führenden Psychiater der Zeit, und galt als
bedeutendes Reformwerk.
Psychiatrie in strengem Stil (erstellt 05.05.2003, 17:19h)
(Foto: MZ) |
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Einstige Psychiatrische
Landesheilanstalt in Halle.
Halle/MZ. Kein Denkmal ist gefeit
gegen Begehrlichkeiten. Doch sollte, wie derzeit diskutiert wird, der
Stadtrat von Halle demnächst einen Abrissantrag auf die einstige
Psychiatrische Landesheilanstalt in Halle stellen, dann steht ein Bauwerk von
außerordentlicher Qualität und Bedeutung zur Disposition.
Gegen die nüchtern-strenge und zugleich räumlich beeindruckende Anlage hat
sich eine breite und einschüchternde Koalition der Willigen zusammengefunden.
Außer Wirtschaftsvertretern sind darin auch Universitätsprofessoren und
Direktoren von Forschungsinstituten vertreten. Besonders die Universität hat
großes Interesse daran, dass ein drittes, der Nanotechnologie gewidmetes
"Technologie- und Gründerzentrum" (TGZ) entstehen kann, für das das
Klinikgelände den angeblich einzig möglichen Standort darstellt.
Treibende Kraft ist der jedoch der Direktor des TGZ, Wolfgang Lukas. Er hat
bereits mit zwei Häusern unbestrittene Erfolge in der Ansiedlung von
Technologie-Unternehmen eingefahren. Das dritte soll vor allem durch einen
Reinraum herausragende Forschungsbedingungen bieten. Fördergelder der EU sind
bis 2006 abzurufen. Der Stadtrat steht somit vor der unbequemen Wahl,
entweder ein bedeutendes, aber marodes Denkmal zu erhalten, oder ein
Hochtechnologiezentrum an die Stelle zu setzen.
Im Weinbergviertel am Rande der Dölauer Heide soll es neben den beiden TGZ,
dem Biologie-Technikum, den Instituten der Universität sowie den Max-Planck-
und Fraunhofer-Gesellschaften den entstehenden "Wissenschafts- und
Innovationspark" abrunden. Städtebaulich profitiert es vom
landschaftlichen Reiz und vom fließenden Übergang zum Wohnviertel Heide-Süd,
das aus einem Garnisonsgelände hervorgegangen ist. Dieses wiederum hat seinen
Ursprung in der Heilanstalt, nachdem deren Bauten 1935 ans Militär fielen.
Zur gleichen Zeit entwarf Ernst Sagebiel die triumphalistische Pose der
Heeres-Nachrichtenschule als Tor zu dem Gelände.
Also droht eine sarkastische Wende des Schicksals. Denn der Nazi-Bau wird
aufwändig für die Universität saniert, während diese (unter Hinweis auf die
Last ihrer Denkmäler in der Innenstadt) die Hochtechnologie auf Kosten eines
Bauwerks der Humanität befördern will.
Es gibt aber auch Stimmen in der Universität, die in der Hügellage und dem
Hofcharakter der Anstalt den noch fehlenden Mittelpunkt des entstehenden
Campus der Naturwissenschaften sehen. Es gibt Bedarf für Mensa,
Studentenwohnheim und Bibliothek. Aber Lukas hat bisher alle angebotenen
(sechs) Ausweichflächen abgelehnt, darunter auch angrenzende. Das
Stadtplanungsamt sowie der frühere Baudezernent Friedrich Busmann, der die
Planungen jahrelang betreut hatte, sehen Lukas' jeweilige Begründungen sehr
skeptisch. Unstrittig ist nur, dass eine Umnutzung der Anstaltsbauten für den
Zweck nicht in Frage kommt. Die nötige Labortechnik sprengt den starren
Rahmen der Architektur, selbst wenn sie entkernt würde.
Inzwischen hat Lukas den Druck weiter erhöht, indem er die Bebauung des
Areals europaweit ausgeschrieben hat. Das Verfahren hat keinerlei Ähnlichkeit
mit Wettbewerben, in denen es um Gestaltqualität geht. Die fast
unvermeidliche Gesichtslosigkeit rein technischer Zweckbauten wäre das Ende
des bislang noch einzigartig atmosphärischen landschaftlich-urbanen Gefüges.
Sicher ist, dass nur ein neuer Nutzer den Anstaltsbauten eine weitere
Lebensspanne verleihen kann. Doch dieser ist nicht in Sicht. Die Stadt
verweist auf jahrelange, allesamt ergebnislos aufgegebene Bemühungen. Jüngst
noch ist die hallesche Klinik Bergmannstrost vor den Kosten für eine geplante
Reha-Klinik für atemgelähmte Patienten zurückgeschreckt.
Niemand hat aber bisher öffentlich eine Möglichkeit diskutiert, für die die
historischen Bauten wie geschaffen scheinen - ohne jede Ironie. Demnächst
stehen zwei Landesämter vor der politisch gewollten Fusion: die Denkmalpflege
und die Archäologie. Ein geeigneter Standort für die neue Einrichtung wird
gesucht. Mit solchen Hütern im Haus wäre die Landesheilanstalt allen
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